Vielleicht haben sie sich im Laufe ihres Berufslebens auch einmal diese Fragen gestellt. Nicht selten arbeite ich mit hochqualifizierten Menschen in meinen Führungskräftecoachings genau zu diesem Thema.
Es sind etablierte, berufserfahrene Männer und Frauen, die Ihre Eignung für Ihren Job in Frage stellen.
Und häufig sind diese entsetzt, wenn Ihr Umfeld – Kollegen, Chef oder Studienkollegen – hieran gar keinen Zweifel haben. Sie können es nicht verstehen, dass Sie von Ihrem Umfeld als so kompetent wahrgenommen werden und andere Menschen sogar noch größeres Potential in Ihnen sehen.
Für dieses Phänomen gibt es zwischenzeitlich sogar ein Fachtermini – das “Imposter-Syndrom” (Hochstapler-Syndrom). Manchmal wird es auch als Mogelpackungs-Syndrom oder Betrüger-Phänomen bezeichnet.
Die Betroffenen leiden an massiven Selbstzweifeln hinsichtlich ihrer eigenen Kompetenz.
Sie schreiben Erfolge und Leistungen einem Zufall oder dem Wohlwollen der übergeordneten Ebene zu. Es gelingt ihnen nicht persönliche Erfolge als die eigenen anzuerkennen und haben auch das Gefühl diesen Erfolg nicht verdient zu haben. Dazu kommt eine ständige Angst “entlarvt” zu werden. Die Angst, dass jemand erkennt, dass sie gar nicht kompetent sind.
Nach meiner Erfahrung sind beide Geschlechter von diesem Phänomen betroffen, wobei Frauen etwas offener mit diesem Thema umgehen.
Die von diesem Syndrom betroffenen Menschen fragen sich ständig “Was mache ich hier eigentlich? Kann ich das überhaupt? Bin ich hier richtig?”.
Ein Beispiel aus meiner Zeit als angestellte Führungskraft.
Vor ein paar Jahren habe ich mit einer sehr kompetenten gut ausgebildeten jungen Kollegin – einer Führungskraft auf gleicher Ebene wie ich – zusammengearbeitet. Wir haben oft die Mittagspause zusammen verbracht und auch inhaltliche Themen gemeinsam vorbereitet. Beim gemeinsamen Kaffee hat mich diese Kolleginnen gefragt. Ganz ohne Kontext und ohne konkreten Anlass. “Sag mal… Wieso wurde ich eigentlich eingestellt?”
Sichtlich irritiert frag dich zurück… “Hättest du dich denn nicht eingestellt?” Meine Kollegin antwortete: “Ich kann es mir gar nicht erklären. Ich bin doch so unsicher und weiß viele Dinge nicht. Eigentlich bin ich für diese Stelle gar nicht geeignet. Ich weiß gar nicht was ich da so tue.”
Diese Aussage konnte ich nicht verstehen. Bisher hatte ich meine Kollegin immer als selbstbewusst, mitten im Leben stehend, fachlich kompetent und sehr engagiert erlebt. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Sie solche Selbstzweifel hat.
Ein weiteres Beispiel aus meinen Coachings.
Vor ein paar Monaten habe ich mit einem Coachingklienten zusammengearbeitet, der “rein zufällig” ein Jahr nach seinem Studienabschluss in eine Führungsposition befördert wurde und durch “einen glücklichen Umstand” zwei Jahre später Prokura für ein mittelständisches Unternehmen bekam.
Selbstverständlich waren es in beiden Beispielen keine Zufälle oder Glück.
Beide hatte sich durch ihre Leistungen und ihr Verhalten als verlässlich, loyal und kompetent erwiesen. Dies aber anzuerkennen und anzunehmen fiel ihnen sichtlich schwer.
Die Betroffenen hinterfragen sich immer wieder und suchen nach externen Gründen, die zu ihrem Erfolg geführt haben.
Äußerlich betrachtet ist dieses Imposter-Syndrom für viele vielleicht ein Luxusproblem, aber bei den Betroffenen löst es einen extremen inneren Druck und Ängste aus.
Es gelingt Ihnen nicht die Ursache für ihren Erfolg bei sich zu sehen.
Nun könnte man sich auch fragen… Ist es allgemein nicht besser etwas tiefer zu stapeln? Sicherlich gäbe es auch ein paar Gründe, die dafür sprechen würden. Aus diesem Grund ein klares JEIN.
Auf der gesellschaftlichen Beliebtheitsskala sind Menschen, die genau wissen und sagen was Sie können und wollen nicht immer sehr beliebt.
Nimmt man sich aber immer zurück und bringt sich nicht mit seinen Ideen ein sondern verfällt stattdessen immer wieder in seine Selbstzweifel, steht man sich selbst im Weg und schadet noch mehr seinem Selbstwert. Es wird auch schwieriger Teil von Etwas zu sein oder den eigenen Anteil am Erfolg eines Projektes tatsächlich zu haben. Da schließt sich der Kreis, bzw. der Kreislauf beginnt wieder von vorn.
Selbstzweifel müssen überwunden werden.
Nach meiner Erfahrung macht es einen Unterschied, ob die betroffene Person ihre Kompetenz nicht mit dem Verstand erfassen kann oder ob es eher ein Thema auf Ebene des Gefühls oder der Intuition ist.
Häufig sind alle drei Bereiche (Kopf, Herz, Bauch) betroffen.
Je nachdem welche Instanz mehr berührt ist (Kopf, Herz, Bauch) können verschiedene Lösungsansätze hilfreich sein.
Wenn der Kopf bereits klar ist und die objektive „Beweise“ wie beispielsweise Arbeitszeugnisse oder andere objektiv messbare Leistungsnachweise kennt, braucht es hier keinen Nachweis mehr.
Wenn es dennoch nicht gelingt die eigene Kompetenz zu erfassen, liegt das Thema oft auf Ebene des Gefühls oder der Intuition. Wenn hier das Gefühl oder die Vermutung existiert „ich kann nichts“, dann braucht es etwas anderes.
Lösungsansätze sind so individuell wie die Selbstzweifel.
Dennoch ein paar Ideen zum Ausprobieren:
- Bitten Sie um Feedback. Sie sind sich unsicher ob Ihr Engagement in dem Projekt ausreicht oder Ihre Performance passt? Sprechen Sie direkt mit Ihren direkten Kollegen/Kolleginnen und fragen Sie nach. Alternativ bitten Sie Ihre Führungskraft um Feedback. Oft gibt es günstige Anlässe wie beispielsweise das Mitarbeitergespräch. Falls nicht, suchen Sie auch zwischendurch immer mal den Austausch.
- Üben Sie sich in regelmäßiger Reflexion. Analysieren Sie Situationen, in denen Sie sich nicht wohl gefühlt haben. Was hat Ihr Gefühl ausgelöst? Wo waren Sie noch unsicher?
- Sammeln Sie positive Rückmeldungen. Notieren Sie sich positives Feedback von Kollegen, Chefs, Kunden oder Menschen die Ihnen wichtig sind. Beispielsweise in einem Notizbuch (Erfolgstagebuch), als kleine Kärtchen in einem Glas oder digital in einer App. Bei der nächsten kleinen „Kompetenzkrise“ können Sie darauf zurückgreifen. Auch als Vorbereitung für Mitarbeitergespräche oder Gehaltsverhandlungen können Sie hier vielleicht gute Gründe entdecken, was Ihr Wert fürs Unternehmen ist.
- Wahrnehmen, benennen, und… Nehmen Sie Ihre Zweifel wahr. Versuchen Sie diese nicht zu unterdrücken. Benennen Sie diese für sich und schauen Sie, was Sie sonst noch wahrnehmen können. Prüfen Sie, inwieweit es eine realistische Einschätzung ist oder ob Sie schon wieder Dinge generalisieren (“Ich kann eh nichts.”, “Das gelingt mir nie.”) und schwärzer sehen als es eigentlich ist.
- Freuen Sie sich über Komplimente. Versuchen Sie diese nicht direkt wieder “klein zu reden”, sondern genießen Sie diese positive Rückmeldung.
Seien Sie mutig. Muten Sie sich mal zu. Mit allen Ihren Gedanken, Zweifeln und Ideen.
Und ich bin mir sicher dieser Mut wird belohnt.
In diesem Sinne für Sie eine gute Arbeitswoche mit vielen Erfolgserlebnissen!